Kornelia Röder
Carola Mahl - Sander&Sachsenmaier
 
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 Anhand der Arbeiten dieser drei Künstler wird deutlich, daß Begriffe wie Installation, Konzept- und Videokunst nicht mehr ausreichen, um Positionen, individuelle Ansatzpunkte und Ausdrucksmöglichkeiten zu beschreiben. Grenzen zwischen den einzelnen Medien sind längst transparent, fließend geworden. Verläßt man die abstrahierende Ebene, lassen sich dort Kontrapunkte, aber auch Berührungen entdecken, wo auf den ersten Blick keine zu vermuten wären. Differenzierung sensibilisiert für die Vielschichtigkeit künstlerischer Auffassungen.

Die Arbeiten von Carola Mahl, Andreas Sachsenmaier und Thomas Sander bewegen sich in diesen Grenzbereichen. Sowohl Carola Mahl als auch Sachsenmaier/Sander setzen sich intensiv mit Räumen auseinander, greifen ein, setzen Zeichen bzw. verwandeln diese in Erlebnisräume. Für ihre Installationen wählt Carola Mahl zumeist seriell bedruckte Stoffe, die sie über Gegenstände legt und die somit zum unkonventionellen "Bildträger" werden. Dadurch entstehen künstlerisch verfremdete Körper im Raum. Verhüllung und Wahrnehmung der plastischen Form treten in ein Wechselspiel, das den sie umgebenen Raum einschließt. Oder sie umhüllt Räume, die durch eine schmale Öffnung eingesehen werden können und in ihrem Inneren z. B. eine Schriftzeile enthalten, deren leise Poesie dieser schützenden, geheimnisvollen Hülle bedarf.

Sensibilisierung der Wahrnehmung steht auch im Mittelpunkt der Videoprojektionen von Sachsenmaier/Sander. Im Gegensatz zu Carola Mahl, die sich mit einer sparsamen, reduzierten Formensprache artikuliert, schöpfen die beiden Künstler das breite Spektrum an sinnlichen Erlebniswerten in ihren Arbeiten auf unterschiedliche Weise aus. Farbe, Struktur, Räumlichkeit, Bewegung und Klang führen sie in ihren Videoprojektionen zusammen, wobei der konkrete Raum, in dem sie installiert werden, zunehmend an Bedeutung gewinnt und zur erweiternden Dimension avanciert. Standen zuvor Räume, die sie in ihren relief- bzw. objekthaften Projektionsflächen entstehen ließen, im Mittelpunkt ihres Interesses, zielen sie jetzt auf die "Schaffung eines Ortes für den Gebrauch von Bildern" (Sachsenmaier).

Das von den Künstlern verwendete Material bildet einen weiteren wesentlichen Kontrapunkt. So bevorzugt Carola Mahl Naturmaterialien wie Baumwolle, Filz und Stoff. Das Nähen ist für sie eins der wichtigsten künstlerischen Gestaltungsmittel. Sie emanzipiert diese typische Frauenarbeit aus tradierten Vorurteilen und löst sie aus der bisherigen Funktionsbindung, somit werden Material und Technik nicht zu Insignien von Frauenkunst, sondern zu einem Ausdrucksmittel, das neue Seherlebnisse und vielschichtige Gedanken auslöst, die Fragen nach der Rollenverteilung der Geschlechter einschließen.

Grenzüberschreitungen sind ein Berührungspunkt zwischen den dre Künstlern, die Art und Weise, wie sich diese in ihren Arbeiten widerspiegeln, ein Kontrapunkt.

Video, Performance, Fotografie, Fotokopie erweitern die Ausdrucksmöglichkeiten von Carola Mahl. Diese Medien stehen zumeist im Kontext einer übergreifenden Idee, werden aber zunehmend als eigenständige künstlerische Mittel verwendet. Für das Projekt "Hundert Kleider" entstand ein Videofilm mit dem Titel "Glückliche Leute, die nähen können", von einzigartigem Humor. Neben Strenge und minimalistischer Konzentration ist es gerade die humorvolle Umsetzung, die Gedanken in Bewegung setzt. Auf der anderen Seite zeigen ihre "Baumwollkörper" wie innovativ innerhalb des Bereichs der Plastik gearbeitet werden kann. Sachsenmaier/Sanders Videoprojektionen bewegen sich im Grenzbereich von plastischen Objekten im Raum, abstrakten Videobildern und Klang. Die Verbindung von visueller Kunst und Klang eröffnet Freiräume, die es auszuloten gilt, und führt vielleicht einmal zur reinen Klanginstallation. Ausgangspunkt ihrer bewegten Bilder war die Malerei. Aber auch Alltagsgegenstände und Naturphänomene fanden Eingang in ihre künstlerische Transformation. Einen Bezug zur Natur stellt Carola Mahl in der Grundstruktur ihrer Drucke her, die die Form eines menschlichen Rückenwirbels tragen. Die serielle Verwendung verfremdet diesen zu einem Muster, wodurch der konkrete Realitätsbezug aufgehoben und in die Sprache der Kunst überführt wird. Gerade die Gratwanderung zwischen Erkennbarkeit und Verselbständigung dieser Elementarform aktiviert die Assoziationsfähigkeit des Betrachters.

Sachsenmaier/Sander arbeiten ebenfalls stark mit den Mitteln der Verfremdung, dabei nutzen sie die vielfältigen Möglichkeiten des Videos. Collagieren, Rhythmisieren, Verzerren von Bildern lassen sie einen unerschöpflichen Fundus an Bildwelten schaffen. Sie bedienen sich des Videos nur als Arbeitsmittel, so daß sie sich nicht als Videokünstler im herkömmlichen Sinne verstehen, sondern sie schaffen Lichtinstallationen mit Hilfe von Videotechnik.

Einen interessanten Kontrapunkt bildet auch die Arbeitsweise der Künstler. Carola Mahl entwickelt die Ideen ihrer künstlerischer Arbeit, bevor sie mit der Umsetzung beginnt. Ein klares gedankliches Konzept bildet die Voraussetzung. Vorzeichnungen, Skizzen sind nicht notwendig. Mit dieser Herangehensweise steht sie der Konzeptkunst nahe. Sachsenmaier/Sander hingegen entwickeln, präzisieren ihre Ideen während der Arbeit. Neben bewußter Umsetzung ihrer künstlerischen Vorstellung lassen sie auch Zufall, freies Spiel als kreatives Moment zu.

Die drei Künstler markieren zwei Positionen der jungen Künstlergeneration im Land Mecklenburg/Vorpommern. Trotz der spannungsvollen und interessanten Kontrapunkte ist ihnen gemeinsam, daß sie eine eigenständige souveräne künstlerische Haltung vorstellen und eindrucksvoll eine Vorstellung davon vermitteln, wie breit das Spektrum moderner Kunst heute auch in Mecklenburg/Vorpommern geworden ist.