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1.
WIE ALLES BEGANN
Susi
Mahacke hat sich für ihre Reise eine besondere
Strategie angelegt. Um sich die Vorteile eines Inkognitos zu
verschaffen, besorgte sie sich eine neue Identität:
Personalausweis? - Yeti.
Während
der ersten Tage nach Ankunft auf dem Schloß, einer
yeti-gemäßen Residenz, schwärmte sie aus,
das Land zu erkunden. Sie belief in alle vier
Himmelsrichtungen die Umgebung. Und traf dabei auf
mancherlei
Besonderheit.
Da wäre
zunächt einmal der den Hof zum Westen hin umgebende
Wall, mit einer Reihe von mehr als 40 Linden bepflanzt, der
wie eine lebende Mauer, nun winterlich schütter vom
Wind durchfegt wird. Eine dahinterbuschbehausende Horde von
Spatzen schimpft in erstaunlicher Lautstärke und bricht
dies flatternd ab, sowie sich Yeti
nähert.
Yetis Koffer
voller Reagenzgläser, Kristalle und Flaschen, die ihr
geheimes Unternehmen bedarf, liegen indes gut geschützt
vor Angriffen derartig phonaler Art, hinter dem
undurchdringlichen Gemäuerwerk des Schlosses
schlummernd.
Im
Uhrzeigersinn das
Gelände
verfolgend, erreicht Yeti das Dorf Plüschow, ca. 35
m.ü.M., welches aus ungefähr fünf und
fünf sich anblickenden Häusern besteht, getrennt
von einer der hiesigen, hier noch
sozunennenden
Straße.
Yeti versucht zu rechnen. Yeti hat gleich Kopfschmerzen
bekommen, denn wie jedes Kind weiß, Yeti rechnet
schlecht. Die Aufgabe heißt: das
Hund-pro-Meck-Vorkommen. Diese Hunde wollen und können
nur eins: Bellen und noch mal bellen, aber auch: Bellen und
beißen! Erkundigungen vor Ort bezeugen, daß
Aktion + Reaktion nicht auf Yetis beschränkt bleibt.
Feld
forschung wird
somit schwer gemacht, Bewaffnung wurde
empfohlen.
Der ziemlich
nördlich gelegene Wald,
beherbergt das Grab eines eben noch umgelegten russischen
Soldatens, April 45, kurz vorm durchdrehen oder
währenddessen, ihm das Grab und einen Gedenkstein
gelegt. Nicht weit davon die imposante Plüschower
Eiche.
Mit einem Umfang von fast acht Metern, unzähligen
Pocken, Narben, Verkrüppelungen, hat dies wuchtige
Geschöpf im vierhundertsten Jahr seines Daseins auf
dieser Welt
, sich seit kurzem
in die andere verabschiedet. Schade! Yeti grüßt
sie beeindruckt.
Nun, den Wald
verlassen, einem Hund im Sprung entkommen, kann man der
Straße folgend prima das Gelände zwischen
Schloß und Wald besehen. Die sogenannte Seewiese liegt
hübsch und üppig zarthellgrün
herum.
Wo eben noch Eis, Schnee und 1800 See herrschten, geben sie
jetzt ein triefend saftiges Erd- und Wiesen-Vorkommen preis.
Über Schultern und Ohren vorbei bricht in einem
niedrigen Erdwinkel warmgrelles Licht von hinten
nieder.
Auch der
Mole-Forschende
kommt auf seine
Kosten: Nicht gefälschte brandneue Fotoaufnahmen
können die Existenz einer gigantischen, wohlmutierten
Spezie des gemeinen nordischen Maulwurfs
beweisen.
Eine ganz
besondere ABM-Maßnahme ist das monatliche
Sonderplanieren
der
Mutantenhügel. (>Susi
Mahacke Produktion 1998: "Nach Hause buddeln, Musterwohnung
für Maulwurfpaar")
Hat
man sich zur rechten Seite sattgesehen, schwankt der Blick
gen Osten. Hier thront eine betriebseigene Tankstelle, aus
zwei Säulen und einem Dach, eines unidentifizierten
Betriebes mit rostigem Gerät. Bei gutem Wind kann man
die Autos der benachbarten Autobahnstrecke,
Abschnitt
Quaal-Grevesmühlen zählen. Auch der betonierte
Kuhstall dahinter frohlockt vor abfallendem Gelände gen
Friedrichshagen
Kälberküsse
harren des Yetis, doch des Yetis Blick zoomt zurück zum
Schloß, wo auffällige Parkrückstände
mit Baumbepflanzung und Gebüsch an ein wohlgehegtes
Fußballfeld grenzen
(
FC
Traktor
Plüschow). Durch Hühner, Gärten und Matsch
kommt Yeti nach seiner täglichen Runde zurück ins
Schloßgemach.
Gegen
Abend
ist es so still, daß das vom Schloßgeist
verursachte Quietschen der Dielen auf dem
gegenüberliegenden Flügel auch bis zum felligen
Yetiohr vordringt. Doch Yeti hat grad andere Sorgen. Eine
weitere seltsame Erscheinung ist Herr G. Plüschow, der
sich seinerzeit von Wilhelm in Guglielmo umgenannt, weil in
Italien verweilend. Yeti studiert das Lebenswerk, soweit
bekannt- dieses Sohnes eines unehelichen Sohnes des
herzoglichen Mannes. Erschrocken ob der schwülen
Sommernachmittage, die da mediterran über sie
hereinbrechen, bekommt Yeti ein kurzfristiges
Blackout.
Yeti
wird ein schwerer Wein gereicht. Das
Kissenlager
verrutscht, als sie das Glas zum Munde führt, der
aufgestützte Arm knickt ein, Trauben, Glas, Wein,
Hasenkeule, alles kullert auf Lager und Yetis
dahingestreckten Körper. Alle lachen herzlich und
können sich kaum einkriegen. Yeti hat all ihr Fell
verloren. Auch trägt sie kein Kleid. Sie starrt auf
ihre rotbesudelte weiße Haut und die nassen Kissen und
lacht auch. Ein junger Bursche gleitet geschmeidig heran und
entfernt ein paar Tropfen des Weines, ein Leckermaul. Yeti
entspannt sich. So ist es
angenehm.
Gerade
blinzelt die Sonne zwischen der Bespannung hindurch auf die
Terasse und die liegenden Gestalten. Die Hitze brennt auf
die bloße Haut und Yeti rückt sich auf den Kissen
zurecht. Der angenehme
prachtvolle
Jüngling bleibt. Es wird neuer Wein gebracht und mit
ihm Käse und die für die Region bekannten
besonders angemachten Oliven, sowie weitere süße
Trauben.
Man
läßt es sich schmecken und wartet auf die
angekündigte Sängerin, die für den heutigen
Tag extra aus Rom herangereist war, um des Abends im Theater
eine Vorstellung zu geben. Sie würde also am Nachmittag
beim Schloß einen Besuch abstatten und alle waren auf
ihre Stimme gespannt, die, so hieß es, einem
Elfengesang gleich, Ströme bezaubernder unbekannter
Melodien vergab.
Alle
harren in freudiger Erregung auf der Schloßterasse.
Yeti fällt in einen wohligen Halbschlaf, während
der herrliche
wunderbare
Mann bunte Muster auf ihr malt. Der
Duft
der Glyzinenranken strömt herüber und langsam
dringt ein Flöten herbei, das nicht irdisch sein kann,
so fein gesponnen sind seine Knospen und Triebe, so
lustig trällern
sie hervor und umhäkeln
ein ums andre mal mit schönem dunklen Schnurren und
hellem gülden Glockenklang ihre Winden.
Als
Yeti erwacht ist Plüschow in Bullerbü
versunken.
Yeti
hat die Augen halb geöffnet. Licht ist da
zunächst, mehr als je vorher um diese Zeit, so
mutmaßt sie. Noch immer die Augen halbverschattet,
beweist ein Blick auf die Uhr, daß es, so früh es
noch ist, doch keinesfalls je vorher Helligkeit in diesem
Ausmaß herrschte. Taumelnd verschlafen hangelt sich
Yeti von der Bettstatt hoch.
Vorbei
an Bärenfell und Kamin, bloß nicht auf dem Kopf
ausrutschen, nicht gegen Holzscheite rempeln. Als sie die
Fensterladen erreicht, ist sie schon fast wach. Mit
Mühe stößt sie die riesigen
Holzverdunklungen auf. Da blendet es sie grell. Schnee ist
geschehen, allüber das Land!
Schnee
bedeckt die Seewiesen, die
Parkrückstände,
die Waldbäume, den Himmel. Die gerade noch im
Augenwinkel zu erhaschenden leerstehenden
Bullerbü-Häuser
werden ihrem Eindruck vollends gerecht.
Die
Schizophrenie des Ortes läßt Yeti sich zweifelnd
die Stirn anfassen. Schweißperlen rinnen übers
Gesicht, eiskalt ist ihr und sie will
schwach
werden, wie auf der italienischen Terasse bei Guglielmo.
Ein
Yeti-Ruck erinnert sie: Plüschow! Der Auftrag.
Besinnung.
Vor
dem Haus findet sie tiefe
Spuren
im Schnee. Unerklärliche. Damals, als Projektwoche
Spurenlesen war, das erinnert sie, war sie Gefangene auf der
Insel des Grafen, ein fürchterlicher Sturm tobte
übers Meer und jedes Fortkommen verbot
sich.
Diese
Spuren waren uneindeutig menschlich tierisch. Die lieben
Tiere sind alle im Stall, die Menschen auch. Es geht ein
kleines langgezogenes Heulen+Pfeifen des Schneefalls, sowie
sie den Schutz der Schloßmauern verläßt.
Sonst herrscht diese schneetypisch wattige
Stille
.
Wie sie die
nächste Häuseransammlung erreicht, also eines
dieser Dörfer mit und ohne Straße,derer man weit
östlicher vermuten mag, was heute keine Rolle spielte,
da unter Schnee verschwunden, da ist auch wieder ein
böser Hund zur Stell.
Angebunden
bellt er sich heiser, keiner kommt aus dem Haus, Yeti stapft
fort. Sie umstampft die schneeverwehte Kirche und findet
hunderte Meter weiter im Dorf den Friedhof dazu. Kaum von
Bäumen beschützt liegen hinter den Hecken die
schneegepeitschen Felder, die nicht mehr zum
Schloßland gehörten. Damals. Yeti fragt sich, was
sie eigentlich dort will und sieht zu, wie sie von dannen
kommt. Das Dorf verlassend folgt ihr ein böser Hund. Er
bellt und folgt und bellt und folgt. Sowie sie stehen bleibt
und ihn nach Hause schicken will, sehr bestimmt Worte gegen
den verschluckenden
Schneefall
stoßend, stoppt auch er. Yeti geht tapfer weiter,
böser Hund macht bellt und folgt.
Yeti zweifelte
am Zustand der umliegenden Hunde. Wo alle lieben Tiere doch
lieb sonst sind, welcher verfluchte Geist war in diese
Viecher gefahren? (Esel, junge Kühe, alte Kühe,
Katzen, Schafe, viele Hühner)
Yeti unternahm
eine Tour zum nahegelegenen Blocksberg. Keine allzu
günstige Zeit für Hexen, aber vielleicht
würde sie ein Zeichen finden, vielleicht auch keins.
Kaum war sie in der Nähe des Blocksberges, war auch
kein Schnee mehr da. Ho. Doch die Gegend war
behaust.
Direkt am Waldanfang sprachen Steine Zeugnis von ganz
anderer Zeit. Yeti näherte sich. Zunächst eine
kleine Formierung. Kaum zu ahnen, von Moos und Gestrüpp
bedeckt, halb in sich gesunken.
Yeti ging
tiefer in den Wald hinein. Es dunkelte. Doch ein Blick
zurück zum Feld verriet noch etwas Zeit, bevor die
Nacht hereinbrechen würde, beim Acker war noch heller
Schein. Durch einen knapp zu ahnenden Pfad kletterte Yeti
über Dornen und Zweige in den Wald hinein. Yetiaugen
erblicken rechts in einer dunklen hohen Tannenecke Steine
blitzen. Schön
parallel
lugen sie hier
aus der Erde, über vierzig Meter lang schreitet Yeti
das Massengrab entlang. Einige Schritte weiter noch ein
halbversunkenes Einzelgrab. Sehr schattig liegen sie hier.
Sehr bemooste
Steine.
In der
Verlängerung dieser
Steinreihen
befindet
sich zur helleren Waldseite gegenüber ein
ähnlicher Dolmen.
Dazwischen
und auch in
dieser Achse, wieder Einzelgräber, Steinreste, drei
große
Brocken,
die ineinandergekeilt liegen und noch ein gut
angeordnetes größeres.
Yeti gehen jetzt die Augen über. Zur Beruhigung
faßt sie auf den Stein. Dieser Stein ist sechstausend
Jahre alt. Oder mehr. Die Augen sind immer noch randvoll und
auch in den felligen Ohren schwappt etwas über, das
vorher gar nicht da war. Zwischen den einzelnen Fellhaaren
sirrt ein Ton herum, der über die Nachbarschaft dieser
Härchen nicht hinausgelangt. Als ob er fliegt, von Fell
zu Fell, hin und her und beim Aufprall diesen Ton absondern
muß. Der Stein unter Yetis Hand ist glatt und nass.
Sie sieht ihn nicht mehr, weil sie überhaupt nichts
mehr sieht, aber immer noch das wahnsinnige
Sirren
hört, was alles andere
übertüncht.
Er wurde an
diese Stelle geschafft um ein Grab zu bauen und er wurde in
all diesen Zeiten von vielen anderen Menschen besucht und
Geistern auch. Yeti,
die nichts mehr sehen und außer sirren hören
kann, versucht sich panisch zu erinnern, sie verkrampft ihre
Hände, schlägt die Zähne hart zusammen und
sucht den überschwappenden Rand vom Geist, wie sie
heißt? war hier schon immer Wald? Meerwasser an
Küste? Elfen nah? Wie das endgültige
Überbrodeln ihrer
Suppe
verhindern?
Wildschweine.
Dunkelheit
brach an. So schnell sie diese Jahreszeit geschah. Yetis
Versunkenheit mußte dem Yetileben weichen, nach
Hause.
So wie Yeti
schon kantapper hinein, mußte sie den Wald verlassen
und sich sputen einen schnellen Weg zurück zu finden,
zurück zu den starken Mauern des Schlosses.
Zurück
zur
Andacht.
Zurück zur Technik, die Beschwörung möglich
macht. Sie würde den Bann dieser Kreaturen brechen, sie
würde einen Weg finden um sie und sich zu
erlösen.
Zurück
nach Italien. Zu
den Lebenden.
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SMP
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