Udo Kunsthalle Rostock

Experimentator der Farbe: Ein Nachruf auf den Künstler Udo Rathke (1955-2024)

Als es in der DDR noch als edel rechtschaffen galt, sich verbandsmäßig zu organisieren und die angesagten Vorgaben zu illustrieren, hatte Udo Rathke sich bereits in die Abstraktion verabschiedet. Normkonforme Dummheiten ignorierte er mit Ironie. Geräuschlos, aber konsequent schlug er sein Fünkchen Hoffnung ganz aus der Farbe. Dabei blieb er. Ein Leben lang. Farbe war ihm eine Gabe der Seele und des Bei-sich-Seins.
Er verzauberte die Wirklichkeit in einen wogenden Farbschwall. Seine Kunstwerke waren ihm Triebwerke eines Lebenszustandes der Materie. Ganz gleich ob im Feld der Malerei, in der Videoproduktion oder in computerbasierten Abenteuern. Mittels Farbe schuf sich Udo Rathke seine eigene Welt und fast unglaubliche Dingbezüge. Er konnte Unerwartetes gestalten und aufbauen. Parallel zu seinem bildnerischen Schaffen leitete er zusammen mit seiner Frau Miro Zahra das Mecklenburgische Künstlerhaus Schloss Plüschow, wodurch ein Baudenkmal gerettet, ein Förderverein initiiert und eine weit über die Landesgrenzen ausstrahlende Institution der Kunst- und Künstler_innenförderung geschaffen wurde.
Udo Rathke pochte auf sein Recht auf unantastbare Innerlichkeit. Sein aus Euphorien und Gedanken geborener Zyklus „Inferno“, der sich Stück für Stück aus der Durchdringung von Dantes „Göttlicher Komödie“ herausschälte, ist ein farbtrommelndes Statement der Unbelangbarkeit. Mit seinen „Moving paintings” (2002) brach er auf zu neuen medialen Ufern. Rathkes Videoinstallation „Flut“ ist zehn Jahre später ein höchst artifizielles Farbgebilde. Die Reflexionen der Botschaft des Buches Hiob (2016/2017) münden in eine Bindung des Geheimnisses des Leidens der Gerechten an Geschichtlichkeit wie zuletzt auch Rathkes Nachsinnen über Heiner Müllers Fragment „Krieg der Viren“ (2022). Raumzeitlicher Stillstand von Farbidyllen war seine Sache nicht. Dieser Künstler suchte nach einem Ideal in einer zukünftigen Wirklichkeit. Lichtwärts seiner Bildzäsuren zeigte sie sich bereits.
Christoph Tannert
(09.11.24)